Elisabeth Freivogel wurde 1953 im Oberbaselbiet geboren und wuchs in einer Arbeiterfamilie auf. Als erste Akademikerin ihrer Familie setzte sie sich gegen Erwartungen und Vorbehalte durch, um den Weg an das Gymnasium und später an die Universität Basel zu beschreiten. Schon früh lernte sie, sich nicht von gesellschaftlichen Strukturen beeindrucken zu lassen, sondern ihren eigenen Weg zu gehen. Ihr Grossvater, der im Dorf als Amtsvormund und Friedensrichter wirkte, prägte ihr Interesse an der Jurisprudenz.
In den 1970er-Jahren studierte sie in Basel Rechtswissenschaften, in einer Zeit ohne Professorinnen oder Assistentinnen und unter dem Eindruck der damals noch laufenden Revision des Eherechts. Parallel engagierte sie sich in der neuen Frauenbewegung, half beim Aufbau der Frauenberatungsstellen und setzte sich für reproduktive Rechte sowie die Schaffung von Frauenbüros ein. Nach ihrem Studium führte sie der Weg in die Assistenz, bevor sie an der Harvard Law School ein LL.M.-Studium absolvierte. Dort lernte sie erstmals Professorinnen kennen und erfuhr das Zusammenspiel von Theorie und Praxis im US-amerikanischen Recht, das ihre spätere Arbeit stark beeinflusste.
Zurück in der Schweiz eröffnete sie ihre eigene Anwaltskanzlei und führte wegweisende Prozesse, darunter den ersten grossen Lohngleichheitsprozess, der bis vor Bundesgericht ging und nachhaltige Folgen für die kantonale wie nationale Rechtspraxis hatte. Neben ihrer Tätigkeit als Anwältin war sie Lehrbeauftragte an der Universität Basel und brachte mit ihrem Kurs „Frauen und Recht“ das Thema Gender Law erstmals in den universitären Lehrplan. Publikationen, Referate und Studien zur Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes begleiteten ihre Arbeit stets. Zudem gehörte zu ihrem Wirken auch die Ausarbeitung eines Alternativentwurfs zum Sexualstrafrecht, mit dem sie eine selbstbestimmte Definition sexueller Integrität und die Berücksichtigung fahrlässigen Verhaltens in den Mittelpunkt rückte.
Ihr Engagement für Gleichstellung und Rechtsdurchsetzung führte sie auch in internationale Kontexte, besonders geprägt haben sie ihre Erfahrungen in den USA und die Auseinandersetzung mit skandinavischen Rechtsentwicklungen. Für ihre Leistungen erhielt sie Ehrungen von den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie die Ehrendoktorinnenwürde der Universität Basel. Elisabeth Freivogel steht damit exemplarisch für eine Juristin, die den Kampf für Gleichstellung nicht nur theoretisch, sondern durch konkrete Prozessführung und institutionelles Wirken vorangetrieben hat.